Interview zur Premiere von „Der Besuch der alten Dame“

Buch Leitschuh 001Am Sonntag, 6. April 2014, 18 Uhr hat „Der Besuch der alten Dame“ Premiere an der Freiherr-vom-Stein-Schule Immenhausen. Weitere Aufführungen am 9 . und 10. April, um 19.30 Uhr. Wir sprachen mit Lehrer Marcus Leitschuh, der das Stück inszeniert und zusammen mit dem Wahlpflichtkurs „Theater/Darstellendes Spiel“ erarbeitet hat. Wir fragen nach den Hintergründen des Stückes und nach der Art der Inszenierung.

? Wie kamen Sie auf das Stück?

Leitschuh: Zum dreijährigen Wahlpflichtkurs gehört natürlich, dass man viele Theaterstücke liest, auf DVD ansieht und auch ins Theater geht. Die Gruppe hat sowohl des Lesen des Originalstückes, aber auch die aktuelle Fernsehfassung sehr fasziniert. Interessant war, dass auch von Anfang an ein Mädchen „Ill“ spielen wollte. Eigentlich mag ich keine Frauen in Männerrollen und umgedreht, aber in diesem Fall war der Wunsch so stark und die Motivation der Schülerin so groß, dass wir dem zugestimmt haben.

? Sie sprechen von „wir“…?

Leitschuh: Theaterarbeit, auch in der Schule, setzt immer ein Team voraus. Da gibt es zwar die Rolle des Benotens, des Lehrers, aber alle müssen als Team an einem Ziel arbeiten. Das ist für die Schülerinnen und Schüler eine wichtige Erfahrung. Es gibt momente, wo Lehrer-Schüler auf Augenhöhe sind, wortwörtlich gemeinsam auf dem Boden liegen und über die Bühne grabbeln und man gemeinsam experimentiert. Dann aber wieder bin ich auch – unabhängig von meiner Lehrerrolle – der Regisseur und die Kinder erfahren, dass es jemanden gibt, der auch mal einfach sagt, wie es jetzt gemacht wird. Ohne Debatte. Das ist auch eine gute Erfahrung. Die Mischung macht es: gemeinsames Entwicklen, als Lehrer auf Schülerideen eingehen und ihnen auch das Gefühl geben, dass die verantwortlich sind und auch Verantwortung haben und dann wieder die Zügel in die Hand nehmen.

? Was war die besondere Herausforderung für die Schülerinnen und Schüler?

Leitschuh: Dürrenmatt hat dramaturgisch und in seiner Sprache auf eine lange Theatertradition verwiesen. Typisch sind seine „Chöre“, die Texte des Stückes mit vielen Wiederholungen gleichzeitig sprechen. Diese sprachliche Form haben wir verändert, die Schülerinnen und Schülern haben in langen Schreib- und Rechercheprozessen mit dem Text gearbeitet, damit er möglichst dicht an uns reicht, damit wir uns von seinen Inhalten ansprechen lassen können und nicht auf der formalen Ebene bleiben.

? Die Werbepostkarte verrät erst gar nicht den Titel, sondern Verspricht Immenhausen 2 Milliarden…

Leitschuh: Dürrenmatt hat in gewisser Weise ein typisches Nachkriegsstück geschrieben. Der erfundene Ort „Güllen“ stand und steht für alle Orte, an denen sich Menschen nach mehr Wohlstand sehnen und die erlebt haben, wie die Armut durch Fehlspekulationen und Verfall von Firmen entstand. Der Wohlstand wird zum Verführer. Im Nachkriegsdeutschland war damit die Frage verbunden, was wir für das Wirtschaftswunder an Werten aufgeben. Wir haben mehrere Monate daran gearbeitet, die Handlung von „Güllen“ nach „Immenhausen“ zu verlegen. Ein in vielen Dingen ebenso fiktives Immenhausen, aber mit realen Bezügen. So wird das Ende der Süßmuthwerke ebenso thematisiert, wie die Innenstadt, die immer trostloser wird, der „Ratskeller“, der schon bessere Zeiten hatte… Mir war es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler sehr lebensnah erfahren, in welcher Situation die „Güllener“ waren und warum die Aussicht auf Geld für einen Mord so verlockend werden konnte. In Wirklichkeit spielt das Stück weder in Güllen, noch in Immenhausen. Es spielt immer in jedem unserer Köpfe und es stellt die Fragen nach unserer eigenen Verführbarkeit und unseren eigenen Wertmaßstäben.

? Welches Konzept verfolgen Bühnenbild und Inszenierung? Zuletzt bei „Scrooge“ und auch bei „der Tag X“ fiel ja viel Schnee…

Leitschuh: Der „Besuch“ ist kein Musical und keine Revue, aber wir setzen auch auf starke Bilder und kraftvolle Momente. Bei diesem Stück verfremden wir aber auch viel, deuten nur an, verwirren. Es ist – mal ganz pauschal gesagt – eher „modern“ inszeniert und verlangt viel Aufmerksamkeit. Aber, natürlich spielen wir alle für Zuschauer. Wir wollen, dass die Schülerinnen und Schüler positive Theatererfahrungen sammeln und alle Zuschauerinnen und Zuschauer sich gut unterhalten und angeregt fühlt. Ein wenig Theaterzauber gehört immer mit dazu, aber eben auch die Abwechslung. Immer Kunstschnee und immer Videoprojektion ist auf Dauer so langweilig wie jeden Tag Erdbeeren. Ich will nicht zu viel verraten, aber wir haben zusammen als Team aus Schülerinnen und Schülern und mir als Lehrer intensiv verschiedene Bühnenkonzepte durchgespielt, es wird am Ende ganz und gar anders sein, wie man es bisher hier gesehen hat. Aber Nebel ist dabei, das kann ich verraten, erst durch ihn sieht man das Licht einfach besser. (lacht)

? Geht es nicht doch etwas Genauer?

Leitschuh: Klar! (schmunzelt) Das sieht man dann sehr genau auf der Bühne….

? Ohne den Förderverein würde die aufwändige Bühnentechnik nicht immer wieder zur Verfügung stehen. Wie ist es beim „Besuch“.

Leitschuh: Die Kunst ist es, die Technik als Hilfsmittel zur Verwirklichung der eigenen Fantasie zu nutzen. Wir stellen nach und nach die Beleuchtung auf energiesparende LED-Technik um. Ohne den Förderverein würde das alles so nicht gehen.

? Gibt es einen Wunsch, den Sie mit dem Stück verbinden?

Leitschuh: Erstens, dass die Gruppe bis zur Premiere, auch durch zwei noch ausstehende Ganztagsproben, weiter als Team zusammengeschweißt wird und sich die „Magie“ des gemeinsamen Schaffens von Kunst ausbreitet. Zweitens, dass sich die Schülerinnen und Schüler nach dem Sehen des Stückes in ihren Klassen darüber austauschen, wie verführbar sie die Welt halten und welche Rollen sie dem Geld zumessen.

? Gibt es ein Drittens?

Leitschuh: …dass viele Menschen die vier Aufführungen besuchen und auch ein paar Scheinchen in den Spendendose zur Deckung der Unkosten und den gemeinsamen Pizzabesuch der Gruppe nach der Premiere übrig bleiben.

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