Gedenkstättenfahrt zum Konzentrationslager Buchenwald – Ein Bericht der Klasse M10b

Am Morgen des 3. April fuhren wir mit unserem Geschichtslehrer Torge Friedrich zur Gedenkstätte Buchenwald in der Nähe von Weimar. Mit im Bus waren außerdem die Klassen M10a und P9a. Weitere Lehrer, die uns zu dem außerschulischen Lernort begleiteten, waren Herr Köhling, Frau Lindberg, Herr Rehmann, Frau Schröder und Frau Friedrich. Letztere sollte für uns im Laufe des Tages noch eine wichtige Rolle spielen, aber dazu später mehr.

Als wir um 7.00 Uhr aufbrachen, war die Stimmung unter uns nicht einfach zu beschreiben. Da es sehr früh war, nutzten einige die rund dreistündige Busfahrt, um noch etwas zu ruhen, anderen wiederum konnte man eine gewisse Anspannung anmerken, die mit Sicherheit damit zusammenhing, dass wir einen aufregenden Tag vor uns hatten. Zwar hatten wir Themen wie „Ausgrenzung“, „Antisemitismus“ und „Konzentrationslager“ im Geschichtsunterricht behandelt, um uns bestmöglich auf die Exkursion vorzubereiten – was genau uns in der Gedenkstätte erwarten sollte, konnte im Vorfeld jedoch kaum einer von uns wirklich erahnen.

Pünktlich um 10.00 Uhr kamen wir bei sonnigem Wetter in der Gedenkstätte an. Nach einem kurzen Frühstück teilten wir uns in drei Gruppen auf. Unsere Klasse wurde von Herrn und Frau Friedrich begleitet. Herr Friedrich erklärte uns, dass er sich heute ein wenig zurückhalten würde. Dies begründete er damit, dass sich mit Frau Friedrich eine echte Expertin an unserer Seite befand, welche heute den größten Teil der Führung mit uns begehen sollte.

Wir starteten von den ehemaligen SS-Kasernen aus, von denen heute noch 4 Stück und das Verwaltungsgebäude erhalten sind. Zwei der Kasernen sind Mietshäuser. Die Vorstellung, in einer Gedenkstätte zu wohnen, die wie ein riesiger Friedhof ist, kam uns befremdlich vor. Frau Friedrich erklärte uns, dass der Erhalt der historischen Gebäude so finanziert wurde. Einige der Mieter arbeiten in der Gedenkstätte, andere fahren die ehemalige „Blutstraße“ entlang nach Weimar zur Arbeit.    

Weiter ging es zum alten Bahnsteig. Dieser wurde im Jahr 1943 erbaut, um möglichst viele Menschen und Material in das Lager zu bringen. Effizienz war immer eines der Merkmale der Nationalsozialisten. Vor den Juden und Kriegsgefangenen aus verschiedenen Ländern wurden auch andere Gruppen, wie politische Gegner des NS-Regimes (Demokraten, Kommunisten), Straftäter und Homosexuelle in das Lager gebracht, um sie aus der NS-Gesellschaft zu entfernen. Das KZ Buchenwald war, im Gegensatz zu reinen Vernichtungslagern wie z.B. Ausschwitz, ein Arbeitslager, in dem die Menschen unter kaum vorstellbaren Bedingungen schwere körperliche Arbeit für die Nazis in der Kriegsindustrie der nahegelegenen Fabriken oder dem KZ verrichten mussten. Dafür versammelten sich jeden Morgen tausende von Menschen auf dem Appellplatz, mussten sich dort aufstellen und wurden dann in verschiedenen Arbeitskommandos weggeführt. Die Arbeit, gepaart mit mangelnder Versorgung, unzureichender Hygiene und  permanenten Konfrontationen mit körperlicher und seelischer Gewalt waren es, weshalb dieser Ort für viele Menschen der letzte ihres Lebens sein sollte. Frau Friedrich erklärte uns, dass wir das Lager auf dem gleichen Weg wie ein Insasse betreten würden.

Schon bei der Ankunft begann eine „Entmenschlichung“, die zeigte, wie wenig Wert ein Menschenleben hatte – vor allem, wenn der Mensch körperlich nicht mehr dazu in der Lage war zu arbeiten. Im Konzentrationslager hatten die Gefangenen keine Rechte. Die SS entschied über richtig und falsch und „die letzte Pflicht des Häftlings war der Tod“.

Vom Bahnhof aus ging es über den sogenannten „Carachoweg“ zum Lagertor. Dieser Weg hieß so, weil die Häftlinge dort unter großem Druck entlang getrieben wurden. An den Seiten des Weges standen SS-Männer mit ihren Hunden. Die, von der langen Reise in Güterzügen zusammengepferchten erschöpften Menschen wurden geschlagen, bespuckt, von Hunden gebissen und erniedrigt. Beim Gedanken daran, wie es sich angefühlt haben muss, diesen Weg vor rund 90 Jahren beschritten zu haben, wurden wir sehr nachdenklich. Einige von uns mussten sichtlich um Fassung ringen – es war der Anfang vom Ende für Tausende Männer, Frauen und sogar Kindern.

Als wir im Lager ankamen, fielen uns zwei Dinge sofort auf:  Zum einen die Uhr über dem Tor, welche auf 15:15 Uhr (dem Zeitpunkt der Befreiung des Lagers durch die Amerikaner im April 1945) stand, zum anderen der Schriftzug „Jedem das Seine“, welcher von außerhalb des Tores in spiegelverkehrter Schrift zu lesen war. Wir durften an dieser Stelle Vermutungen zu diesem Schriftzug anstellen. Schnell wurde uns klar, dass er bewusst gewählt wurde, um einerseits von innen gelesen zu werden und andererseits jenen, die ihn lesen konnten klarzumachen, dass sie es „verdienten“ an diesem Ort zu sein.

Bevor wir durch das Tor gingen, erhaschten wir noch einen Blick in den Bunker. Dieser Trakt am Eingangsbereich ähnelte einem Verlies, bestehend aus einzelnen Zellen, welche für Verhöre genutzt wurden und wo Menschen die letzte Zeit vor ihrer Ermordung verbrachten. Wir versuchten, uns die unendliche Hoffnungslosigkeit derer vorzustellen, die in diesen engen, kalten Zellen festgehalten wurden. Oftmals erblickten sie nie wieder das Tageslicht.

Unser nächster Stopp war innerhalb des umzäunten Innenbereiches. Auf dem Appellplatz unmittelbar hinter dem Tor pfiff ein eisiger Wind. Wie wunderten uns, da es eigentlich ein sonniger Tag war. Frau Friedrich erklärte uns, dass die Ausrichtung des Lagers extra so aufgebaut war, dass die Menschen, die hier oft stundenlang stehen mussten, dem Wetter der Hanglage des Lagers schutzlos ausgeliefert waren.

Als die neuen Insassen im Lager ankamen, musste sie zunächst alle Kleidung ablegen, wurden am ganzen Körper „geschoren“ (um Läusen vorzubeugen) und in Behälter mit Desinfektionslösung getaucht. Die Entmenschlichung der Gefangenen wurde so weiter voranzutreiben, von nun an waren sie nur noch eine Nummer.

Im Jahr 1945 lebten über 100.000 von ihnen in dem Lager. Teils mit bis zu 1800 Menschen in einer 10×40 Meter großen Baracke. Wir haben in unserem Klassenraum versucht nachzuvollziehen, wie viele Menschen „zu viele“ wären… Wir konnten es nur erahnen.  Auf der Grundfläche des Lagers sind die Umrisse der Baracken mit schwarzen Steinen gekennzeichnet, um sich zu orientieren, wie das Lager aufgebaut war. Eine Baracke steht noch heute auf dem Gelände. Zwar durften wir sie nicht betreten, aber ein Blick durch das Fenster half dabei, sich vorzustellen unter welchen Umständen die Menschen gelebt haben mussten.

Der Tod als einziger Ausweg? Für uns unvorstellbar! Auf unsere Nachfrage hin erzählte uns Frau Friedrich, dass es viele Fälle gab, in denen die Inhaftierten diesen letzten Ausweg wählten. Hierzu mussten sie nichts weiter tun, als die Reihe zu verlassen – den Rest erledigten dann die Aufseher der SS.

Der tägliche Ablauf der Insassen war geprägt von harter Arbeit und Furcht. Furcht um seine Lieben, Furcht vor Kälte und  Hunger, Furcht davor durch die Willkür eines Wachmannes  zu sterben.

Als nächstes kamen wir zum Krematorium. Herr Friedrich wies uns auf die Bedeutung dieses Ortes hin, und bat uns, unsere Lautstärke dem Moment anzupassen. Diese Bitte unseres Lehrers wäre nicht notwendig gewesen. Als wir das Gebäude betraten, fanden wir einen Raum für medizinische Untersuchungen vor, hier wurden den Verstorbenen letzte wertvolle Dinge wie z.B. Goldzähne entfernt. Im nächsten Raum sahen wir die Öfen, in denen die Leichen verbrannt wurden. Dahinter die Nachbildung einer Genickschussanlage- versteckt hinter einer Wand und getarnt als Untersuchungsraum, um die ausführenden SS Männer  vor dem Anblick sterbender Menschen zu schützen. Eine Schwere lag über dem Raum, keiner von uns redete! Über einen kleinen Hof gelangten wir in den Keller des Gebäudes, in dem noch die Haken von früher an den Wänden und die Abflussschächte im Boden zu sehen waren. Frau Friedrich erklärte uns, was hier passierte – Keiner von uns redete! Einige von uns mussten das Gebäude verlassen, zurück in den Hof. Jenen Hof in dem damals täglich Berge toter Menschen aufgehäuft wurden. Die Bewohner Weimars wurden von den Amerikanern nach der Befreiung des Lagers gezwungen, sich dort von den Gräueltaten innerhalb des Lagers zu überzeugen. Viele gaben damals an, von nichts gewusst zu haben – Es fällt uns schwer dies zu glauben!

Um 12:45 Uhr besuchten wir die Ausstellung des Museums die den Titel „Ausgrenzung und Gewalt“ trägt. Hier konnten wir persönliche Gegenstände, Briefe sowie Geschichten der Gefangenen einsehen. Durch den Blick auf die vielen Einzelschicksale der Inhaftierten  passierte genau das Gegenteil der von den Nationalsozialisten angestrebten Entmenschlichung – die Opfer bekamen ein Gesicht, einen Namen, eine Geschichte.

Nach dem Museum gingen wir, vorbei am „Kleinen Lager“, welches eine Art Quarantänestelle im hinteren Teil des KZ war, zurück in Richtung Haupteingang. Dort wurden wir von Frau Friedrich auf ein letztes Mahnmal hingewiesen. Es handelte sich um eine Metallplatte im Boden, auf der die Opfergruppen des KZ eingraviert sind. Die Platte hält im Sommer wie im Winter immer die gleiche Temperatur: 37 Grad Celsius. In der Geschichtsstunde des Vortags hatten wir mit Herr Friedrich bereits über die Symbolkraft dieser Installation gesprochen. Wir alle legten gemeinsam unsere Hand auf die Platte und fühlten die 37 Grad. Wir wissen und verstehen, wofür sie stehen… wisst ihr es auch?

Wir, die Klasse M10b, haben uns bewusst für diese Form der Reflexion und Nachbereitung des Tages entschieden. Gemeinsam mit unserem Lehrer, Herr Friedrich, haben wir diesen Bericht verfasst. Unser Werk auf der Homepage der Schule zu veröffentlichen, halten wir, gerade aufgrund der aktuellen Lage der Welt, für wichtig. Im Geschichtsunterricht erlernen wir Faktenwissen über die Vergangenheit. Wir lernen außerdem, dass sich Geschichte häufig wiederholt und wir aus Fehlern lernen müssen.

Aus unserem Besuch in der Gedenkstätte Buchenwald lernten wir, dass es Dinge gibt, die sich niemals wiederholen dürfen! Die Klasse M10b mit T. Friedrich 

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