Interview mit der Elternbeiratsvorsitzenden Silke Konrad: Analoges Selbermachen ist auch im guten digitalem Unterricht wichtig!

Von | 28. Februar 2022

Im aktuellen Jahrgang 5 haben wir mit der Umsetzung eines neuen Lern- und Raumkonzeptes begonnen. SchuleNeuDenken bedeutet Lernen am eigenen Schülerarbeitsplatz, u.a. in den Hauptfächern, gewohntes Arbeiten in den Fachräumen, Frontalunterricht im InputRaum und gemeinsames Lernen in der LernLandschaft. Jeder Schüler bekommt ein IPad. Schritt für Schritt wird das Konzept umgesetzt. Wir sprachen darüber mit Silke Konrad, der Vorsitzenden unseres Elternbeirates. Die Polizistin hat einen Sohn und eine Tochter auf unserer Schule, eine Tochter hat die Freiherr-vom-Stein-Schule schon erfolgreich durchlaufen.

Sie bekommen viele Rückmeldungen von Eltern. Was verändert sich in Ihren Augen gerade positiv an der Freiherr-vom-Stein-Schule?

Silke Konrad: Gut finde ich, dass der gewohnte Frontalunterricht in der Form weniger stattfindet. Inputs werden zielgerichtet und differenziert gegeben. Das Kind kann wählen, ob es die Einführung mehrfach braucht. Ein anderes Kind geht gleich zu den Vertiefungsaufgaben am individuellen Arbeitsplatz über, wenn es den Input, also die Einführung, verstanden hat. Dafür nutzt genau dieses Kind dann in einem anderen Fach das LernBüro weniger und mehr das gemeinsame Lernen mit Mitschülern. Oder es bekommt in einem Hauptfach doch noch mal einen wiederholenden Input.

Die Klassenräume werden ja auch gerne umgeräumt. Individuelle Arbeitsplätze und ganz besondere Schulmöbel in den anderen Räumen werden bald geliefert…

Silke Konrad: Es kommt gut an, dass es schöne Räume gibt für Gruppenarbeit, Projektarbeit und ruhiges Lernen. In den neu ausgestatteten Räumen kann man eine ganz andere Kommunikation pflegen. Es ist intimer, die Klassengemeinschaft hat in der LernLandschaft mit Gruppentischen, Sitzkissen und ähnlichen Möbeln mehr Möglichkeiten, als an einem normalen Schultisch.

Ich glaube, dass man durch diese Veränderungen individueller auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen und sie wirklich auch mal im Bereich ihrer Stärken fördern kann. Es wird dem Individuum gerechter.

Was meine Sie genau damit?

Silke Konrad: Wir machen ja ganz viel für schwächere Schüler, da bleiben lernstärkere Kinder manchmal auf der Strecke. Es gibt Kinder, die vielleicht mehr Schwächen als Stärken aufweisen, aber wenn sie hier mal die Möglichkeit haben, in einem Bereich bewusst ihre starke Seite zu fördern, bringt sie das in ihrer Motivation und ihrem Selbstwertgefühl nach vorne. Deswegen finde ich die Veränderungen positiv und erhoffe mir einfach mehr individuelle und bedürfnisorientierte Möglichkeiten.  

Veränderungen können ja auch manchmal Angst machen. Man erlebt ein Schulsystem, dass man selber nicht durchlaufen hat.

Silke Konrad: Ich finde es gut, dass Schule heute anders ist, als ich es selber erlebt habe. Definitiv. Wenn ich mir die Möglichkeiten anschaue, die Kinder heute haben: In der Schule wird den Kindern auf verschiedenste Arten Wissen vermittelt. Es wird ja auch schon viel mit Projektarbeit gemacht. Das finde ich persönlich gut. Schule muss sich weiter entwickeln. Stillstand bedeutet immer Rückschritt.

Wobei sich in Immenhausen ja auch nur der Hauptfachunterricht und das Fach GL verändern werden. 50% des Unterrichts laufen wie bisher…

Silke Konrad: Ich kann verstehen, dass Veränderungen und besonders die Digitalisierung Eltern auch Sorgen machen können. Das hat natürlich auch etwas mit negativen Erfahrungen aus der Zeit des anfänglichen Corona-Distanzunterrichtes zu tun. Die spuken noch immer in den Köpfen herum und diese Ängste gilt es den Beteiligten zu nehmen.

Man muss in der Praxis zeigen, dass digitaler Unterricht in Zukunft nicht mehr laufen wird wie am Anfang der Pandemie, mit dem überlasteten Schulportal oder zu der Zeit, als das WLan in der Schule noch nicht stabil war. Schule braucht ein Konzept, sich besser digital und zuverlässig aufzustellen. Das hat nicht immer geklappt bisher, z.B. auch während der Quarantänezeit.

Die Eltern wollen vielleicht nicht, dass die Kinder nur noch mit dem Tablett rumsitzen. Genau deshalb wird das Prinzip ja in Immenhausen auch nur in einigen Fächern umgesetzt und in der Hälfte der Fächer bleibt es so wie jetzt. Um diese gute Projekte umzusetzen, braucht es guten und verlässlichen Unterricht, der technisch gut ausgestattet funktioniert.

Welche Vorteile sehen Sie denn für Kinder, die gerade nicht am regulären Unterricht in der Schule teilnehmen können?

Silke Konrad: Das neue Lernkonzept der Gesamtschule Immenhausen bietet die Chance, dass auch erkrankte Kinder direkt am Unterricht teilnehmen können, weil die Lernaufträge in „Scobees“ am eigenen IPad im Lernbüro, aber auch daheim erledigt werden können. Das gilt auch für die Hausaufgaben. Das ist ein Fortschritt. Eltern werden spüren, dass das demnächst kein Problem mehr ist und man nicht bei Mitschülern hinterher telefonieren muss, damit man die Hausaufgaben bekommt. Die Kinder können weiter an der Schule teilhaben. Wenn das gut läuft, dann glaube ich, werden sich viele Bedenken in Luft auflösen, weil das Positive aus Elternsicht überwiegt.

Eine der Hauptforderungen von Eltern ist ja verständlicherweise ein guter Vertretungsunterricht. Welche Auswirkungen versprechen Sie sich durch das Projekt „SchuleNeuDenken“?

Silke Konrad: In den Hauptfächern liegen die Stunden aller Klassen im jeweiligen Zweig gleichzeitig im Stundenplan. Dadurch braucht es ja dann keinen klassischen Vertretungsunterricht mehr, weil mehrere Lehrkräfte gleichzeitig die Klassen unterrichten und begleiten. Die Aufgaben werden von den Lehrkräften vorher erstellt und in der eigentlichen Unterrichtsstunde kann man sich gegenseitig vertreten. Das ist ein großer Vorteil. Der geplante Unterricht kann stattfinden, auch wenn die eigene Lehrkraft erkrankt ist. Besser geht es gar nicht. Das leidige Thema „habe ich jetzt Bio statt Mathe?“ gibt es dann nicht mehr.

Was von dem, was Schule in Immenhausen bisher ausgemacht hat, wünschen Sie sich auch weiterhin im neuen Lernkonzept?

Silke Konrad: Die Ansprechbarkeit und das persönliche Gespräch in einer überschaubaren Schule sind bisher ein Vorzug von Immenhausen gewesen. Das muss bleiben. Es kann durch die Coaching-Stunden sogar noch intensiviert werden. Was unsere Schule in Immenhausen ausmacht, ist die Berufsorientierung. Deswegen wünsche ich mir, dass das neue Konzept Schritt für Schritt auch auf andere Jahrgänge ausgeweitet wird, weil SchuleNeuDenken selbstständiges, eigenverantwortliches Lernen fördert, was ja viel mit Berufsorientierung zu tun hat. Viele Berufe, auch handwerkliche, sind digitaler geworden, trotzdem wird dafür weiter praktisches analoges Tun benötigt.

Also eine Mischung aus digital und analog?

Silke Konrad: Genau. Gut ist der gesunde Mix. Das ist vielleicht auch das, wovor Eltern aktuell noch Angst haben. Es darf nicht alles digital werden. Eine Mutter sagte mir: „Ich möchte aber auch, dass mein Kind im Unterricht raus in die Natur geht“. Genau das ist wichtig. Dass man den Eltern sagt, „ja, wir haben auch weiterhin noch analoge Projekte, wir haben Schulgarten und Teich, wir haben Sportunterricht und Kochen und das läuft noch ganz echt und zum Anfassen, zum Riechen, Schmecken und Fühlen. Zum Mitmachen, zum Selbermachen, zum Gestalten. Das ist mir wichtig, dass das an unserer Schule weiterhin erhalten bleibt.

Service: Sie haben Fragen und Anregungen an den Elternbeirat und Frau Konrad? Dann schicken Sie einfach eine Mail an schulelternbeirat-fvss@gmx.de

 

(Das Gespräch führte Marcus Leitschuh)